
A
m
25.
Januar
1945 begann mit den
See-
transporten zahlreicher Flüchtlinge aus
Pillau
die größte Seerettungsaktion der
Geschichte. Bis zum 8. Mai wurden unter dem
Befehl von Großadmiral
Karl
Dönitz, dessen
Namen
mit dieser
Aktion
untrennbar verbun-
den
ist, über 2,5
Millionen
Heimatvertriebene
aus Ost- und Westpreußen, aus Pommern und
Mecklenburg
vor den sowjetischen Truppen
und
damit vor dem sicheren Tod
gerettet.
Und
trotz etlicher Torpedierungen und der Ver-
senkung
der Schiffe Goya, Wilhelm-Gustloff,
Steuben und anderen
mit
Tausenden von
Toten überstanden 99 Prozent der Flüchtlinge
diesen gefährlichen Seeweg.
Von
den 281 Kriegs- und 509 Handelsschif-
fen,
die
an
diesem Rettungswerk mitwirkten
und
zumeist die Küste beim heutigen Damp
ansteuerten, wurden
die
meisten nach
der
deutschen Kapitulation den Siegern überge-
ben, verschrottet oder versenkt. Eines der we-
nigen
Schiffe, das bis in diese
Tage
überdauer-
te,
ist
die Albatros.
Seit
wenigen Tagen nun
liegt die restaurierte Albatros am Strand des
Ostseeheilbades Damp
2000,
umgebaut und
eingerichtet zu einer nationalen Gedenk- und
Erinnerungsstätte.
Es bedurfte
eines
langen Weges und vieler
Mühen bis zu der
eindrucksvollen
und gut be-
suchten Einweihungsfeier. Unsere Zeitung
kann
mit Stolz darauf verweisen, daß Chefre-
dakteur Hugo Wellems gemeinsam mit dem
Präsidenten
des
Marine-Bundes, Fregatten-
kapitän a. D. Friedrich
Rohlfing,
im
Jahre
1980
bei
einem Marine-Ball
in
Hamburg den Ge-
danken
zu diesem Mahnmal entwickelte und
später die Kontakte zu den Landsmannschaf-
Ehrengäste, darunter
den
Hauptredner
der
Veranstaltung,
den schleswig-holsteinischen
Justizminister
und
stellvertretenden
Mini-
sterpräsidenten Dr. Henning Schwarz,
Prinz
Friedrich
Ferdinand
zu
Schleswig-Holstein,
den
stellvertretenden Sprecher
der
Lands-
mannschaft Ostpreußen,
Harry
Poley,
den
Sprecher
der
Pommerschen Landsmann-
schaft, Dr.
Philipp
von Bismarck
MdE,
den Prä-
sidenten
der
Pommerschen A/jointfilesconvert/476224/bgeordneten-
Versammlung
Dr. Hans-Edgar Jahn,
LO-Bun-
desgeschäftsführer Friedrich-Karl Milthaler,
Staatssekretär
Dr.
Wetzel, den Kreispräsiden-
ten
von
Rendsburg/Eckernförde, Werner
Hahn,
den
Territorial-Befehlshaber
für
Schleswig-Holstein,
Konteradmiral Deckert,
den
Vertreter
des
Volksbundes Deutsche
Kriegsgräberfürsorge, Kapitän zur
See a. D.
Günther Niewert,
den
Bürgermeister
von
Damp
2000,
Herrn
Jestrimsky, sowie viele an-
dere. Mit besonderem Beifall wurde Herr Kö-
ster,
der
frühere Kapitän
der
Albatros,
be-
dacht. Sicherlich verdankten viele im
Publi-
kum
ihm ihr Leben.
Des weiteren schilderte der Vorsitzende des
Marinebundes
die Geschichte der Albatros,
die
im März 1912 in Papenburg/Ems von Sta-
pel
lief.
In
beiden Weltkriegen wurde dieses
Schiff zur Marine rekrutiert.
1945 holte die Albatros
—
im Glauben der
Seeleute
ist der Albatros die Verkörperung der
Seele
eines
ertrunkenen
Seemannes
und
schon aus diesem
Grund
ist der Name wie kein
anderer für das Gedenken an den unbekann-
ten deutschen Seemann
geeignet
—
5000
Ma-
rinehelferinnen
aus dem brennenden Königs-
berg und brachte sie über
Pillau
nach Warne-
Rettung
über
See:
Dem
Vergessen
entrissen
In
Damp
2000
wurde
die Erinnerungsstätte
Albatros
eingeweiht
ten herstellte.
Nicht
zuletzt auch durch
das
Buch
„Sie kamen übers Meer" der
Staats-
und
Wirtschaftspolitischen
Gesellschaft, das der-
zeit
bereits in der 10. Auflage verkauft
wird,
wurde
dieses anspruchsvolle Projekt umfas-
send vorbereitet.
Schätzungsweise
rund
600 Menschen, dar-
unter zahlreiche Gerettete, aus dem ganzen
Bundesgebiet
bis
hinunter nach Garmisch-
Partenkirchen
wohnten dem abwechslungs-
reichen Eröffnungsprogramm bei,
das
vom
„Kuratorium Erinnerungsstätte Albatros
—
Rettung über See" zusammengestellt worden
war.
Den
Auftakt der Veranstaltung bildete ein
Marschmusik-Vortrag
des
Marinemusikkorps
Nordsee.
Matrosen des ebenfalls mitwirken-
den
Shanty-Chors
der
Marinewaffenschule
Eckernförde hißten anschließend feierlich
die
Flaggen der Landsmannschaften Ostpreu-
ßen, Westpreußen, Pommern,
des
Marine-
bundes und des Landes Schleswig-Holstein.
Für großen Beifall der Zuschauer sorgten im
Anschluß erneut
des
Marinemusikkorps
Nordsee,
der
Shanty-Chor
der
Marinefern-
meldeschule Eckernförde und
der
Shanty-
Chor
der Marinekameradschaft
Kiel
von 1914
e.V.
Bei
stimmungsvollen Seemannsliedern
folgte das
Publikum
gerne der Aufforderung,
mitzuschunkeln.
Freude auch
dem
Auge
boten danach die Volkstanzvorführungen der
Volkstanzgruppe
der
Gemeinschaft
Junges
Ostpreußen aus Schönwalde.
Die
Feierstunde eröffnete schließlich Fre-
gattenkapitän
a.
D. Friedrich Rohlfing, der in
eindrucksvoller
Weise
die
Anstrengungen
und
Aktivitäten des Kuratoriums schilderte.
Zuvor
aber
begrüßte Rohlfing die zahlreichen
Vielseitiges Rahmenprogramm zur Feierstunde: Unser Foto zeigt den Shanty-Chor aus Eckern-
förde Fotos
(3)
Graw
von
Damp und inzwischen Geschäftsführer
des Kuratoriums, leisteten dann weitere Ar-
beit und stellten Überlegungen an, so
Rohlfing,
wie
in
Verbindung
mit der Albatros ein Beitrag
zur
jüngeren deutschen Geschichte
geleistet
werden
könnte.
Dabei
sollte auch der deutsche Osten und
die
damit verbundene deutsche
Kultur
in das
Bewußtsein der Bevölkerung gerückt werden.
Aus
diesen Ideen heraus entstand schließlich
das
Kuratorium,
an dem sich die Landsmann-
schaften Ostpreußen, Westpreußen
und
Pommern,
der Landesverband der vertriebe-
nen
Deutschen
in
Schleswig-Holstein,
der
Schleswig-Holsteinische Heimatbund,
der
schleswig-holsteinische Landesverband
des
Volksbundes
Deutsche Kriegsgräberfürsorge
sowie zahlreiche Privatpersonen beteiligten.
Hier
verdient besondere Würdigung Herbert
Preuß, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
der Memellandkreise, der als Delegierter der
LO
dem Kuratorium angehört.
Rohlfing
stellte auch die Verdienste des
Hi-
storikers Professor
Emil
Schlee
heraus, der das
geschichtliche Material
für
die Dokumenta-
tion
im Inneren des Schiffes gesammelt und
zusammengestellt
hatte.
- Abscrriießencrveriasxler Präsident des Ma-
rine-Bundes einen Brief von Bundesminister
Heinrich
Windelen,
in dem dieser
betonte,
die
„große Leistung der Marine, der Einsatz und
die
Tatkraft der Männer, die vielen Menschen
das Leben
rettete,
darf als ein wichtiges Ereig-
nis
der jüngeren deutschen Geschichte nicht
vergessen werden".
Auch
Justizminister Dr. Henning Schwarz
war,
nicht „ohne den Namen des damaligen
Großadmirals Dönitz" nennen. Dönitz
habe
„in
der Rettung deutscher Menschen
aus
dem
Osten... zugleich für sich und für die Marine
den
letzten sinnvollen politischen und militä-
rischen
Einsatz gesehen". Sein Regierungs-
programm
sei damals gewesen, „so viele
Men-
schenleben wie möglich zu retten".
Nicht
ver-
gessen
werden dürften
aber
auch die schreck-*
liehen
Untergänge einiger Transportschiffe
mit
vielen Tausenden Toten.
Damit
mache die Albatros „ein Stück Ge-
schichte lebendig" und solle zugleich auch
„Kunde tun von
der
Unmenschlichkeit
des
Krieges und uns aufrufen, alles zu unterneh-
men,
um kriegerische Auseinandersetzungen
zu
verhindern".
Diese
Verpflichtung,
so führte
der stellvertretende Ministerpräsident weiter
aus,
gelte
insbesondere „für unser
geteiltes
Land
an der
Nahtstelle zwischen
Ost
und
West". Daher sei
es
wünschenswert, daß ins-
besondere viele junge Menschen diese
Erin-
nerungsstätte besuchen, „um die Vergangen-
heit zu erfahren und Lehren für die Zukunft
daraus zu ziehen".
An
die auf Anregung der Landsmannschaft
Ostpreußen 1970 zustande gekommene Ver«.
anstaltung, bei der in
Kiel
und Laboe mehr als
6000
Menschen der Rettungsaktion gedachten
und
den Rettern dankten, erinnerte der stell-
vertretende LO-Sprecher
Harry
Poley. Heute,
„38
Jahre
nach den schicksalsschweren Ge-
schehnissen
jener
115 Tage",
gelte
es
erneut,
Dank
zu sagen jenen Männern der Kriegs- und
Handelsmarine,
„die
im
hereinbrechenden
Chaos am Ende des verlorenen Krieges noch
.Auch ein
Zeichen
der Zusammengehörigkeit
aller
Teile
Deutschlands"
Am
Strand von Damp
2000:
Die Albatros wurde zu einer nationalen Gedenkstätte ausgebaut
münde. Die letzten Einsätze erfolgten an der
Küste Pommerns.
Insgesamt
holte der bewähr-
te Tender über
3000
Flüchtlinge in den We-
sten.
Als
die Albatros zu Beginn der siebziger
Jahre
verschrottet werden sollte, entwickelte
man
in Damp zunächst den
—
schließlich ge-
scheiterten
—
Plan,
das Schiff zu kaufen und
gastronomisch
zu
nutzen. Hans Hermann
Schlünz, Redakteur des Norddeutschen
Rund-
funks,
und Rudolf Clausmeyer, Kurdirektor
würdigte den
Aufbau
dieser bedeutungsvol-
len
Erinnerungsstätte, die zugleich „eine Ge-
denkstätte
von
nationaler Bedeutung"
sei.
Schwarz stellte die Albatros in einen Zusam-
menhang mit anderen symbolischen Erinne-
rungsstätten
für
Flucht und Vertreibung,
so
das Marineehrenmal in Laboe, das U-Boot in
Möltenort und der Eisbrecher Stettin.
Durch
diese Ehrenmäler sei „der Einsatzwillen un-
zähliger deutscher
Seeleute
im
Dienst
der
Menschlichkeitselbstin
trostloser Zeit.. .dem
Vergessen entrissen" worden. Es spreche
wei-
ter für die Initiatoren, daß sie die finanziellen
Mittel
in
erster
Linie
durch private Spenden
zusammenbrachten.
Schwarz
sagte,
man könne die großartige
Rettungsaktion, an der die Albatros beteiligt
Worte des Gedenkens an die Rettung und des Dankes an die Retter: Fregattenkapitän a. D.
Rohlfing,
Harry
Poley, Minister Schwarz sowie Kuratoriums-Geschäftsführer Clausmeyer
einmal
alle Kraft selbstlos daran setzten, kämp-
fend
und fahrend ihre ostdeutschen Landsleu-
te vor Not und Tod zu retten". Darüber hinaus
aber
möge die Albatros auch dazu beitragen,
„daß das Bewußtsein der unauflöslichen Zuge-
hörigkeit aller Menschen und Teile Deutsch-
lands zum gemeinsamen Vaterland wächst".
In
dieser Zeit, in der mit Recht eine zum
Teil
bewußt geförderte Geschichtslosigkeit in un-
serem
Volk
beklagt werde, dokumentiere
diese neue Erinnerungsstätte auch den anson-
sten vielfach verschwiegenen Beitrag
des
deutschen Ostens für das Werden und
Beste-
hen
unseres Volkes.
Es sei heute, 38
Jahre
nach dem Kriegsende,
„an
der
Zeit, den Anspruch
des
deutschen
Volkes
auf seine staatliche, nationale und ter-
ritoriale
Einheit deutlicher als bisher zu
artiku-
lieren".
Die Albatros leiste als ein Stück vater-
ländischer Vergangenheit dazu einen
wertvol-
len
Beitrag. Mit dem gemeinsamen Singen der
dritten
Strophe der deutschen Nationalhymne
wurde
das eindrucksvolle Programm
beendet.
Eine
anschließende Besichtigung des Schiffs-
inneren
wies eine sehenswert eingerichtete
Gedenkstätte aus. Karten
der
ostdeutschen
Provinzen,
Darstellungen
der
Flüchtlings-
ströme über
Land
und Wasser gen Westen,
Vi-
trinen
mit entsprechender Literatur und Ge-
genständen, die über die Flucht
gerettet
wur-
den,
sind vortrefflich geeignet, auch der Ju-
gend,
die dieses
Kapitel
der Geschichte allen-
falls
noch vom Hörensagen kennt, Flucht,
Vertreibung
und die Rettung über See zu ver-'
deutlichen.
Ein
Bild
des Großadmirals Dönitz
vervollständigt diese Dokumentation.
Die
nicht im grau-schwarz des Krieges, son-
dern
im Farbenkleid aus friedlichen Tagen am
Strand von Damp
2000
liegende Albatros stellt
ein
würdiges Mahnmal dieser Geschehnisse
am
Ende des Zweiten Weltkrieges dar.
Gleich-
zeitig
ist sie ein Symbol des Dankes an die vie-
len
bekannten und namenlosen
Retter
aus die-
ser Zeit
Ansgar
Graw
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